Nach einem monatelangen Preisanstieg geraten die Ölbörsen zur Zeit wieder ein wenig unter Druck und die Preise geben nach. Für Abwärtsdynamik sorgen die steigenden Infektionszahlen in Europa, die in Österreich schon wieder zu einem neuen landesweiten Lockdown geführt haben. Doch auch Gerüchte über eine koordinierte Freigabe strategischer Ölreserven, die von den USA vorangetrieben werden könnte, sorgen für Preisnachlässe.

 

Strategische Ölreserven als Notfallplan
Seit der Ölkrise in den 70ern haben zahlreiche Länder eine strategische Bevorratung von Erdöl, Benzin und Heizöl angelegt, die in Notfällen Versorgungsengpässe überbrücken soll. Die amerikanische Regierung scheint nun über den ungewöhnlichen Schritt nachzudenken, einen Teil dieser Notreserven freizugeben, um das aktuelle Angebotsdefizit am Weltmarkt zu lindern.

 

Ein solcher Schritt würde das Angebot erhöhen und damit die Preise aller Voraussicht nach deutlich sinken lasse. Dies wäre durchaus im Interesse der US-Regierung, denn auch in den Vereinigten Staaten ist die Inflation so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr und die Benzinpreise sind regelrecht explodiert. Schon vor Wochen hatte der US-Präsident deshalb an die OPEC und ihre Partner appelliert, ihre Ölhähne weiter aufzudrehen.

 

Koordinierte Freigabe mit anderen Verbrauchernationen
Diese Forderung stieß allerdings innerhalb der OPEC auf taube Ohren und das Produzentenbündnis blieb bisher bei seiner Strategie der kleinen Schritte. Washingtons Antwort darauf könnte nun also eine Freigabe der strategischen Reserven sein, die möglicherweise sogar mit anderen Ländern koordiniert werden könnte. Aktuell prüfen auch China, Japan, Indien und Südkorea, ob ein Anzapfen der Notvorräte rechtlich möglich ist.

 

Joe Biden wird heute Nachmittag eine Rede an die Nation halten, in der er sich möglicherweise auch zur strategischen Bevorratung äußern wird. Sollte es tatsächlich dazu kommen, dass die USA und andere Länder Mengen aus ihren Notvorräten zum Verkauf zur Verfügung stellen, käme schnell eine größere Menge an Öl auf den Markt, die die Preise drücken würde.

 

Kurzfristiger Effekt mit hoher Wirkung
Klar ist aber auch, dass diese Maßnahme nur einen temporären Effekt haben wird, da die Vorratshaltung der strategischen Reserven üblicherweise gesetzlich geregelt ist und schnell wieder aufgefüllt werden muss. Da jedoch die Prognosen für das kommende Jahr eher eine Überversorgung zeigen und das aktuelle Angebotsdefizit sich schon im ersten Quartal 2022 abgebaut haben könnte, wäre die Freigabe der Reserven möglicherweise genau die richtige Maßnahme, um den Ölpreisen kurzfristig ein wenig mehr Erleichterung zu verschaffen.